Unverzüglich i. S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, d.h. innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten. Danach muss der Erwerber darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung als Familienheim entschlossen hat, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Umstände in seinem Einflussbereich, wie eine Renovierung der Wohnung, sind ihm nur unter besonderen Voraussetzungen nicht anzulasten (BFH, Urteil v. 28.5.2019 – II R 37/16; veröffentlicht am 25.7.2019).
Hintergrund: Steuerfrei ist der Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem bebauten Grundstück u.a. durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt, § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG.
Sachverhalt: Der Kläger und sein Bruder beerbten zusammen ihren Anfang Januar 2014 verstorbenen Vater. Zum Nachlass gehörte ein Zweifamilienhaus mit einer Wohnfläche von 120 qm, das der Vater bis zu seinem Tod allein bewohnt hatte. Die Brüder schlossen am 20.2.2015 einen Vermächtniserfüllungsvertrag, nach dem der Kläger das Alleineigentum an dem Haus erhalten sollte. Die Eintragung in das Grundbuch erfolgte am 2.9.2015. Renovierungsangebote holte der Kläger ab April 2016 ein. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2016.
Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest, ohne die Steuerbefreiung für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG zu berücksichtigen. Denn der Kläger habe das Haus nicht unverzüglich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmt. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (zur Vorinstanz s. unsere Online-Nachricht v. 15.11.2016):
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
- Unverzüglich erfolgt eine Handlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Dies bedeutet, dass ein Erwerber zur Erlangung der Steuerbefreiung für ein Familienheim innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Hauses fassen und tatsächlich umsetzen muss (BFH, Urteil v. 23.6.2015 – II R 39/13, BStBl II 2016, 225, Rz 24).
- Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall.
- Wird die Selbstnutzung der Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, kann ebenfalls eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen. Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.
- Vorliegend hat der Kläger das Haus auch nach der Eintragung im Grundbuch nicht unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken bestimmt.
- Erst im April 2016, mehr als zwei Jahre nach dem Todesfall und mehr als sechs Monate nach der Eintragung im Grundbuch, hat der Kläger Angebote von Handwerkern eingeholt und damit überhaupt erst mit der Renovierung begonnen.
- Der Kläger hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten hat. Schließlich war der Kläger am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem FG, dem 28.9.2016, – mithin zwei Jahre und acht Monate nach dem Erbfall – noch immer nicht in das geerbte Haus eingezogen.
Quelle: BFH, Urteil v. 28.5.2019 – II R 37/16, NWB DokID: IAAAH-23544 (il)